Niemand ist frei, selbst die Vögel sind an den Himmel gebunden
sagte Bob Dylan irgendwann, irgendwo zu irgendwem. Der Vogel, von dem ich erzählen möchte, war nicht an den Himmel gebunden, sondern an meinem Handgelenk – also ziemlich weit weg vom Himmel. Die Art von Vogel, die man nicht bewusst wahrnimmt: Kein prächtiges Federkleid, kein lautes Gezwitscher. Völlig unspektakulär. Einer, der die Hände eines fünfjährigen Mädchens passt. Nennen wir ihn einfach Vogel.
Als ich aus dem Wohnzimmerfenster schaute, sah ich meinen Onkel in der prallen Mittagssonne mit einem breiten Grinsen auf das Haus meiner Großmutter zuschlendern. Er trug seine Flipflops locker am Fuß, um vermutlich dem unangenehmen Scheuergefühl der Zehentrenner zu entkommen. Dass seine Fersen leicht über den staubigen Weg schliffen, nahm er für seinen Komfort gerne in Kauf. In der einen Hand eine Schnur, in der Anderen einen Schuhkarton. Meine Augen funkelten, als er mich aus der Ferne zu sich rief: „Ngozi, oya come. I brought you something. Bring water.“ Ausgestattet mit Sachet Water (Wasser in kleinen Plastikbeuteln) ging ich voll Vorfeude auf die Terrasse. Er band die Schnur um mein Handgelenk, sein Grinsen wurde immer breiter. „Open the box, but be careful.“ – tschiep, tschiep, tschiep – „I caught it for you by myself.“
Ein neues Heim für Vogel
Von da an war Verantwortungsbewusstsein mein zweiter Name. Können wir mit Vogel spielen? – Ehm, natürlich nicht? Vogel braucht seinen Schönheitsschlaf. Voller Enthusiasmus und mit Legosteinen ausgerüstet baute ich ein Haus für Vogel. Bei einer Körpergröße von vermutlich gerade mal bisschen mehr als einem Meter, kann man sich ja vorstellen wie gigantisch dieses Haus war… Nicht. Der Vogel wurde zu meiner Hauptbeschäftigung. Ich fütterte ihn mit Reis, meiner Neugier und Liebe. Wir waren unzertrennlich. Zumindest ganze drei Tage lang, danach wachte Vogel nicht mehr auf. Was ich ihm an Liebe gegeben habe, war nicht die Liebe, die er brauchte. Sein Vogelherz schlug für die Weiten des Himmels, den Ruf der Natur. Und nicht für Reiskörner…
Die Moral von der Geschicht‘: Man kann niemandem seine Liebe aufzwingen, sonst platzt er. Weitere Erkenntnis aus dieser Erinnerung heraus: Vögel kämen für mich als Haustiere nicht in Frage, sonst wird aus Findet Nemo schnell Findet Vogel.
PHOTOGRAPHER nona van de peer STYLIST & DESIGNER jana froehlich
Was für eine wunderschöne Bildstrecke. 🙂
Liebe Grüße
Dorie von http://www.thedorie.com
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